Möglichkeiten des Einsatzes alternativer Antriebstechnologien im Schienengüterverkehr
Die thyssenkrupp Steel Europe AG betreibt am Standort Duisburg die größte Werksbahn Europas. Die Fahrzeuge verfügen derzeit über einen Dieselantrieb, welchen es aus emissionstechnischer Sicht sowie aus Kostengründen zukünftig zu hinterfragen gilt. Im Rahmen seiner Transformation hin zu einer nachhaltigen Stahlproduktion betrachtet thyssenkrupp Steel im Rahmen der vorliegenden Machbarkeitsstudie die organisatorische, technische und wirtschaftliche Machbarkeit von alternativen und CO2 –freundlichen Antriebstechnologien für die Durchführung der innerbetrieblichen Transporte am Standort Duisburg.
Im Rahmen einer detaillierten Bestandsaufnahme ist das Soll-Anforderungsprofil von thyssenkrupp Steel für den Einsatz einer alternativen Antriebstechnologie im Kernbereich des Standortes Duisburg abgeleitet worden. Demnach müssen die Lokomotiven für den Einsatz im rauen Rangierbetrieb im Stahlwerk, der Schmutz, Staub, teilweise hohe Temperaturen und häufige Erschütterungen beinhaltet sowie hohe Einsatzzeiten von ca. 5.000 Bh p.a. fordert, geeignet sein. Tank- oder Ladevorgänge dürfen nicht zu einem höheren Fahrzeugbedarf als aktuell führen.
Etwaige zusätzliche Tank- bzw. Ladevorgänge müssen innerhalb der 30-minütigen Schichtwechselzeiten realisierbar sein. Weiterhin hat die Inbetriebnahme der alternativen Antriebstechnologie bestenfalls parallel zur Inbetriebnahme der wasserstoffbasierten Direktreduktionsanlagen im Jahr 2027 zu erfolgen. Die Leistung der 3- und 4-achsigen Lokomotiven soll mindestens der Leistung der heute überwiegend eingesetzten Lokomotiven entsprechen. Zudem wird ein durchschnittliches Lastprofil abgeleitet.
Im Zuge der Machbarkeitsstudie sind alternative Antriebstechnologien identifiziert und auf ihre Einsatzfähigkeit bei thyssenkrupp Steel hin überprüft worden. Festzustellen ist, dass die Entwicklung von CO2–freundlichen Rangierlokomotiven derzeit nicht im Fokus der Hersteller steht, die sich eher auf sogenannte Last Mile-Konzepte konzentrieren. Es sind umfangreiche Konzeptabstimmungen und –adaptionen mit interessierten Herstellern zur Umsetzung des Anforderungsprofils geführt worden und letztendlich sind Konzepte zu folgenden Antriebsvarianten eingereicht worden:
- HICE: Umbau der 3-/4-achsigen Bestandslokomotiven auf einen H2-Verbrennungsmotor ohne Veränderung der Motorleistung. Auf diesen Lokomotiven kann nach Umbau ein H2-Tankvolumen von 20 kg/70 kg H2 mitgeführt werden.
- BE: Neuentwicklung einer 3-achsigen batteriebetriebenen Lokomotive mit einer Leistung von 600 kW und einer Batteriekapazität von 648 kWh sowie einer 4-achsigen Lokomotive mit einer Leistung 750 kW und einer Batteriekapazität von 500 kWh.
- BEMU: Hybrid-Konzept für eine 4-achsige Lokomotive mit elektrischem Antrieb über Oberleitung und über Batterie. Die Batteriekapazität beträgt hierbei 500 kWh. Ladevorgänge der Batterie erfolgen bei Fahren unter der elektrischen Oberleitung.
Anschließend sind die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen für die Umsetzung der zuvor definierten alternativen Antriebsvarianten bei thyssenkrupp Steel erarbeitet worden. Dazu sind für jede Infrastrukturvariante die Investitionskosten und die Umsetzungsdauer ermittelt sowie ggf. erforderliche Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt worden.
- HICE: Für den Einsatz von H2-Verbrennungsmotoren bei thyssenkrupp Steel im Kerngebiet in Duisburg ist eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden. Da ein automatisches Ablassen von Wasserstoff im Betrieb nicht ausgeschlossen werden kann und es dabei zu einer Zündung in einem Heißbetrieb kommen kann, wurde der Einsatz von H2-Verbrennungsmotoren als kritisch eingeschätzt und diese Antriebsvariante verworfen.
- BE: Der Einsatz von batteriebetriebenen Lokomotiven wird als unkritisch eingeschätzt. Für den Einsatz von batteriebetriebenen Lokomotiven sind insgesamt 6 Ladestellen vorgesehen. Diese Ladestellen werden in räumlicher Nähe zu den Lokstationen für den Schichtwechsel platziert, so dass ein Zwischenladen während der Schichtwechselzeiten erfolgen kann.
- BEMU: Der Einsatz von BEMU wird als unkritisch eingeschätzt. Für die Umsetzung der BEMU-Variante ist die Elektrifizierung von Teilen der Gleisinfrastruktur erforderlich. Es wird angenommen, dass eine Elektrifizierung von ca. 50 km Gleisstrecke für den BOA-Betrieb mit 25 kV und 50 Hz ausreichend ist. Aufgrund der hohen Infrastrukturkosten und der langen Realisierungszeiten wird diese Antriebsvariante verworfen.
Von den drei betrachteten Antriebstechnologien erfüllt somit nur die BE-Variante sowohl aufgrund ihrer Infrastrukturanforderungen als auch aufgrund ihrer Antriebstechnologie das Anforderungsprofil von thyssenkrupp Steel.
Die Bewertung der Antriebsvariante erfolgt daher ausschließlich für 3-Achser und gegen die Varianten Bestandslokomotiven und Ersatzneukauf von aktuell verfügbaren neuen Diesellokomotiven.
Die Bewertung erfolgt anhand der Kriterien Investitionskosten, Betriebskosten und CO2 –Ausstoß. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Bestandslokomotiven vollständig abgeschrieben sind und daher jegliche Neuinvestition, unabhängig von der Antriebstechnologie, höhere Betriebskosten als in der IST-Situation verursachen.
Die Betriebskosten der BE-Variante sind unter Berücksichtigung der staatlichen Fördermöglichkeiten etwa mit den Betriebskosten von neuen Diesellokomotiven vergleichbar, liegen aber ca. 30 € pro Betriebsstunde über den derzeitigen Betriebskosten. Die Verbrauchskosten der Diesellokomotiven liegen etwa 10 € pro Betriebsstunde oberhalb der BE-Variante. Dafür fallen hier keine Infrastrukturinvestitionen an.
Der CO2 –Ausstoß je Diesellokomotive ist ca. 80 t p.a. höher als bei der BE-Variante.
Durch die Nutzung von HVO100 bei den Bestandslokomotiven oder vergleichbaren Neufahrzeugen lässt sich eine Reduzierung der CO2 –Ausstoßes von 94 t p.a. erzielen. Die Zusatzkosten betragen ca. 2 € pro Betriebsstunde gegenüber den aktuellen Betriebskosten. Die Nutzung von HVO100 lässt sich kurzfristig umsetzen, ist allerdings aufgrund des Alters der Bestandsfahrzeuge keine dauerhafte Lösung.
Die Erstellung der Machbarkeitsstudie erfolgte unter Leitung von Herrn Dr. Achim Fränkle Geschäftsführer der VCE GmbH und Herrn Frank John Leiter Werkslogistik und Transportmanagement bei thyssenkrupp Steel Europe Logistics Services.